Das Thema ist zu komplex, doch einige wenige Gedanken möchte ich veröffentlichen.
Wir sind ja oft sehr schnell geneigt, ein Verhalten des Whippets als Wesensfehler zu beschreiben. Wenn der Whippet nicht wie eine Maschine funktioniert, wenn er in Stresssituation Erlebtes erst einmal verarbeiten muss, oder wenn er ein bestimmtes von uns unerwünschtes Verhalten zeigt, suchen wir den Grund dafür natürlich nur beim Hund. Hat ein Whippet etwa kein Anspruch auf Ausdruck seiner Befindlichkeiten?
Er darf uns durch sein Verhalten zeigen, dass er sich unbehaglich fühlt. Er darf erst recht zeigen, wenn er unausgelastet, unverstanden oder unsicher ist, oder besonders, wenn etwas in dem Verhältnis Mensch-Whippet-Mensch nicht stimmt. Viel zu schnell wird alles auf die Zucht oder die Vererbung geschoben, was tatsächlich nur eine natürliche Reaktion auf einen Zustand ist. Warum macht er das? Warum verhält er sich auf einmal so? sind oft die Fragen, die Whippetbesitzer äußern.

reaching out – Razzmatazz als Welpe
Probleme mit physisch gesunden Whippets haben in den allermeisten Fällen, wenn nicht ausschließlich nur einen Grund. Genau das macht auch die Andersartigkeit zu anderen Hunderassen, auch den anderen Windhunderassen aus. Es ist die Kombination von windhundartigen Verhaltensweisen mit der feinnervigen Psyche und dem unbedingten Adaptionswillen. Der Whippet will sich seinem Menschen nicht nur anpassen und tut es auch, sondern er möchte sich wohl eher mit ihm identifizieren. Die Schwierigkeiten bestehen zwischen Whippet und Mensch, wenn beide sich nicht verstehen können. Was der Mensch als Anpassung versteht, beschränkt sich meist auf eine “problemlose Handhabung”. Was könnte der Whippet darunter verstehen? Wir können das nur aus der Erfahrung annehmen, die wir im Laufe unseres Lebens mit Whippets gemacht haben. Ein Whippet kann nicht belogen werden, denn er erspürt, ob wir es ehrlich mit ihm meinen.
Deshalb: Verständnis und Zuneigung müssen von Herzen kommen. Es kann gut möglich sein, dass die Zuneigung, das Annehmen auf Anhieb da ist, oder sie wächst mit der Zeit. Aus Zuneigung folgt Anpassung und Sicherheit. Das sensible und emotionale Wesen eines Windhundes, also auch eines Whippets, das muss der Besitzer kennen und nicht nur ertragen, sondern wirklich auch mögen. In dem Moment wo der Hund wirklich im Herzen “angekommen” ist, sieht man es einem Whippet auch an. Läuft er nur mit oder bildet er mit seinem/seinen Mensch eine Art Symbiose?
Wird in Rassenbeschreibungen und Werbungen für den Whippet genug auf seine Eigenarten verwiesen? Wenn Whippetleute über den Whippet schreiben, dann ist das so als würde man einem Kind das Autofahren erklären. So etwas Grundlegendes wie das mehr oder weniger typische Wesen ist dem eingefleischten Whippetfan eben längst in Fleisch und Blut übergegangen. Ist es nicht genau das, was wir so an ihm schätzen. Das muss nicht explizit erwähnt werden, weil es selbstverständlich ist, oder? Doch eigentlich schon, denn immer wenn Schwierigkeiten mit einem Whippet auftreten, dann fragt man sich, ob denn der Besitzer sich vor der Anschaffung über das Wesen und die Sensibilität des Whippets wirklich im Klaren war? Wurde er tatsächlich dahingehend aufgeklärt?
Annahme und Ablehnung
Was man Beziehung nennen mag, ist nichts anderes als das Zusammengehörigkeitsgefühl, die Bindung, die gegenseitige Annahme. Im täglichen Zusammenleben werden die Bedürfnisse von Mensch und Whippet in soziale Beziehung gesetzt und gelebt.
Manchmal erleben wir es, dass der Whippet von dem ein oder anderen Partner nicht angenommen wird. Vielleicht sind es auch Eifersüchteleien zwischen den Partnern selbst, die über den Hund ausgetragen werden. Sie lehnt den Whippet komplett ab, er ist absolut überzeugt und hingerissen in Herz und Seele. Der ablehnende Partner trägt seine Konflikte über den Hund aus. Die Beziehung zu seinen Bezugspersonen ist gestört. Eine Disharmonie in der Familie kann ein Whippet nicht “ertragen”.
Beispiele gibt es, in denen der Whippet über strapaziert oder unterfordert ist, in dem er Herhalten muss als Ersatzobjekt, aber nicht entsprechend seiner Hundeart und Rasse gehalten und behandelt wird. Die Sensibilität als eine Eigenschaft wird meist nur am Rande erwähnt. Eben doch nicht wirklich ein Hund wie jeder andere? Ja einerseits und nein andererseits. Wer genau dieses windhundartige und whippettypische Wesen, wenn man das einmal so nennen darf, missachtet, der wird mit seinem Whippet nicht wirklich glücklich sein.
Die falschen Erwartungen an den Whippet, kann der Hund nicht erfüllen. Er kann den Menschen nicht “verstehen”, nicht lesen, seine Handlungen kann der Whippet nicht nachempfinden. Wenn die Bedürfnisse des Whippets, nur sporadisch oder gar nicht befriedigt werden, dann entsteht Hilflosigkeit und Chaos in seinem Kopf. Das Vertrauen kann gar nicht erst aufgebaut werden oder wird beschädigt.
Welche Möglichkeiten hat nun ein Whippet auf sich aufmerksam zu machen? Er kann uns zeigen, dass etwas nicht stimmt. Dann ist er aufeinmal so anders, so störrisch, so pentrant, so unfolgsam, so neurotisch….
Die Frage lautet dann Was stimmt mit dem Hund nicht? Dann wird probiert und versucht, eine Hundeschule nach der anderen, ein “Hilfsmittel” nach dem anderen, Pillen, Pasten, Globulis… und nichts hilft. Das Grundproblem kann dadurch nicht gelöst werden.
Die Frage muss anders gestellt werden: Was stimmt in der Beziehung zum Whippet nicht?
Die Sensibilität des Whippets
Unbestritten haben Windhunde eine hohe Sensibilität. Der Whippet macht da keine Ausnahme. Sensibilität ist die Empfindlichkeit, die Wahrnehmung, das Hinein-fühlen. Der Whippet scannt permanent unsere Körpersprache genauso wie unsere Stimmungen.

Der Whippet rechts scannt mit großen Augen, weil offensichtlich eine ungewöhnliche Situation vorliegt
Er wird sich als unverstanden und unbeliebt fühlen, wenn das Verhältnis und die Verständigung unklar und getrübt ist. Eine echte Bindung entwickelt sich mehr oder weniger automatisch, wenn der Whippet spürt, dass Mensch ihn versteht, dass sein Wesen gemocht wird und dass er sich bei seinem Menschen sicher fühlen kann.Wer selbst unsicher ist, kann dem Hund keine Sicherheit geben. Und die sogenannte Bindung oder Beziehung wächst durch tägliche Erfahrungen im gegenseitigen Umgang.
Die Qualität im Umgang mit Whippets ist eine andere. Es funktioniert nicht, dem Whippet alles zu verwehren und ständig an ihm alle möglichen Techniken und Erziehungsprogramme auszuprobieren; Nein, Pfui, Aus, Sitz hier und Komm dort. Das macht er vielleicht ein paar Mal mit, aber das ist keine Strategie, die auf Dauer funktioniert. Er erfühlt den Unsinn solcher Kommandos, die eine Beziehung nicht bestärken. Das ewige Leckerchen füttern hat den gleichen Effekt. Dadurch wird die Freßsucht gesfördert aber keine beschädigte Beziehung repariert. Selbstverständlich hat der Whippet längst herausgefunden womit er seinem Menschen eine positive Mine abringen kann.Und das macht er völlig freiwillig.
Warum gibt es Gesten der Zuneigung von Seiten des Whippets, die überhaupt nicht in ein Schema des zweckdienlichen “Manipulierens” passen? Warum gehen Aktionen von ihm aus, die nicht unmittelbar einem eigenen Ziel dienen, sondern nur der Situation geschuldet sind? Gestern war ich in ein Buch vertieft, als die auf einem Sesseln neben mir ruhende Shiphra, mir wie in Zeitlupe näher und näher ihre Pfote herüber hangelte und mich sanft an stupste. Sie bewirkte damit, dass ich auf sah und schmunzeln musste. Ein anschließendes Zusammenrollen und Einschlafen von Shiphra zeigte, dass sie nichts weiter beabsichtigt hatte, als mich zu “erreichen”.
Falsch verstandene Whippets
Fehlt das Geborgen-sein und das Vertrauen gegenüber dem Menschen, würden solche kleinen Gesten nicht ausgeführt. Das weiß man, wenn man Whippets kennt, bei denen das Grundvertrauen in Menschen zerstört wurde. Da ist nicht einmal ein Schwanzwedeln drin.
Fehlt das Verständnis für sein sensibles Wesen, perfektioniert der Whippet seine Eigenständigkeit.
Er wird stur, zeigt seinem Menschen, dass er ihm nicht folgt, geht seiner eigenen Wege, sucht sich das, was für ihn “interessant” ist, sein Verhalten wird überzogen, und für den Menschen unverständlicher oder resigniert und zieht sich ganz in sich zurück.
Falsch verstanden sind Whippets, wenn sie nicht als Hund, als Windhund und als Whippet wahrgenommen und geschätzt werden. Es ist wahr, dass sie gern im Mittelpunkt stehen. Einige Whippets sind extrem anspruchsvoll in dieser Hinsicht.
Nicht im Mittelpunkt stehen sie auch, wenn Mensch Hundespaziergänge mit anderen Besitzern macht, weil er gern über Hunde spricht. Das klappt vielleicht mit all den Hunden, die sich täglich auf irgendwelchen Hundewiesen treffen, wo sich die Hundehalter treffen und austauschen. Mit Whippets geht das überhaupt nicht. Sie erfordern Überwachung und eigentlich sollten stets beide Augen auf Umgebung und mögliche Risiken gerichtet sein. Hier ist die Bindung zwischen Mensch und Whippet eine wichtige Voraussetzung für unstrapaziöse Spaziergänge. Sein Verhalten ist von Eigenständigkeit bestimmt. Dafür wurden er gezüchtet als auf sich gestellter Jäger und nicht als Ärmelhündchen. Der Whippet merkt sofort, wenn Mensch sich mit anderen Dingen beschäftigt und seine Augen und Gedanken nicht bei ihm sind. Eine gute Beziehung haben Whippets zu ihrem Besitzer, die nur in brenzligen Situationen abgerufen werden, die sich sonst frei bewegen können und von selbst zurück laufen und ihren Menschen aufsuchen und mit den Augen “anfragen”, wie viel Freiheit ihnen zugestanden wird. Und er braucht auch die Aufmerksamkeit, die liebevolle Beachtung und wenn nur eine mimische Ermunterung oder ein subtile Berührung ist. So wie auch Whippets untereinander agieren, die sich als Einheit oder Gemeinschaft täglich permanent durch Kommunikation und Berührungen bestätigen.
Stimmungsübertragung
Selbstverständlich findet eine Stimmungsübertragung auch bei allen anderen Hunden statt. Doch beim Whippet ist die Wahrnehmung so stark, dass ihm selbst die kleinsten Unsicherheiten oder die Ablehnung genauso wie die Stärke und Verlässlichkeit der menschlichen inneren Einstellung nicht entgehen. Jede Art von innerer Unruhe und Unsicherheit versetzt den Whippet in eine Situation, in der er kopflos wird. Er muss gezwungenermaßen den Part übernehmen, den sein Mensch für ihn offensichtlich nicht fähig ist zu leisten. Kommt das häufig oder dauernd vor, wird das Band durch enttäuschtes Vertrauen in seinen Menschen dünner und irgendwann reisst es ab. Ist ansonsten die Beziehung gefestigt, werden kurzeitige Stimmungsschwankungen vom Whippet gut kompensiert und im selben Moment vergessen sein.
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